Vegane und Vegetarische Ersatzprodukte im Fokus des Markenrechts
Ein Beitrag von RA Robin Schmitt
Vegane und vegetarische Ersatzprodukte sind im Vormarsch. Welche zahlreichen Probleme sich bei der Namensgebung dieser Produkte im Markenrecht ergeben, erläutert Robin Schmitt.
Der Markt für vegane und vegetarische Ersatzprodukte wächst seit Jahren stetig, und auch weiterhin scheint kein Ende des „Veggie-Boom“ in Sicht. Im Wandel begriffene Essgewohnheiten und vor allem das Aufkommen kulinarisch akzeptabler Fleischersatzprodukte setzen die Lebensmittelindustrie unter enormen Innovationsdruck. Während sich sowohl kleine Startups als auch internationale Konzerne mit immer neuen Produkten überbieten, beschäftigt die Rechtswissenschaft nun schon seit einiger Zeit das Thema der Bezeichnung von Ersatzprodukten.
Denn die Anbieter derartiger Produkte sehen sich bei der Benennung und Bewerbung ihrer Waren einem Problem ausgesetzt: Der Produktname soll häufig dazu dienen, die Eigenschaft als Ersatzprodukt zu vermitteln, gleichzeitig aber einen Hinweis darauf geben, welches eigentliche Produkt ersetzt werden soll. Der Grat zwischen rein beschreibenden und irreführenden Bezeichnungen ist sehr schmal – vor allem weil der Adressatenkreis mitunter schwer festzustellen ist. Das führt nicht nur in einem verhältnismäßig stark regulierten Bereich wie dem Lebensmittelrecht zu Problemen, sondern öffnet auch die Tore für wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen in einem stark umkämpften Markt. Daher beschäftigt das Thema auch die Politik. Erst im Oktober 2020 sprach sich das EU-Parlament gegen einen Gesetzesentwurf aus, demzufolge Fleisch-Ersatzprodukte nicht mehr das ersetzte Fleischprodukt im Namen tragen durften. Ein Gesetzesentwurf für strengere Regeln bei der Bezeichnung von Milch-Alternativen wurde hingegen angenommen.
Von Interesse ist die Bezeichnung veganer und vegetarischer Ersatzprodukte aber auch aus der Perspektive des Markenrechts. Die britische Kanzlei EMW Law hat in den letzten fünf Jahren 265 „vegane“ Markenanmeldungen allein im Vereinigten Königreich gezählt, davon 70 Anmeldungen nur im Jahr 2020. Daher ist es kein Wunder, dass das Thema nun auch bei den Gerichten angekommen ist. Weniger überraschend stehen auch hier mögliche Ausschlussgründe aufgrund des beschreibenden Charakters oder der Täuschungsgefahr im Mittelpunkt.
Mit dem Beschluss des Bundespatentgerichts vom 10. Dezember 2020 (25 W (pat) 552/19) zur Marke „Vromage“ dürfte nun eine der ersten deutschen Entscheidungen aus der Welt der Ersatzprodukte vorliegen. Gegenstand des Beschlusses ist die Anmeldung der Marke „Vromage“ in den Klassen 29 und 43. Diese Anmeldung wies die zuständige Markenstelle wegen eines entgegenstehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die Klasse 43 zurück.
Nach den Feststellungen der Markenstelle handele es sich bei der Wortmarke „Vromage“ um eine Kombination des französischen Begriffs „Fromage“ und der Ersetzung des Anfangsbuchstabens durch ein „V“ für „vegan“. Dieses Vorgehen der Ersetzung sei jedoch nichts Ungewöhnliches und den maßgeblichen Verkehrskreisen – sich bewusst vegan ernährende Verbraucher – geläufig. Darüber hinaus habe der französische Begriff „Fromage“ bereits den Eingang in den deutschen Wortschatz gefunden und werde im Bereich der Tisch- und Esskultur auch zur Produktbezeichnung genutzt.
Gegen die Zurückweisung der Anmeldung legte der Anmelder Beschwerde zum BPatG ein. Seiner Meinung nach würde die Bezeichnung zumindest teilweise herkunftsweisend benutzt und beziehe sich auf den Internetauftritts seines veganen Käseladens in Los Angeles. Ferner würde der angesprochene Verkehrskreis den Hinweis durch den Anfangsbuchstaben „V“ zwar verstehen. Der durchschnittliche Verbraucher würde dies jedoch nicht ohne Weiteres mit „vegan“ gleichsetzen.
Das BPatG stimmte der Markenstelle im Wesentlichen zu, ging aber noch darüber hinaus. So würden sowohl der Eintragung in Klasse 43 als auch in Klasse 29 die Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und der Täuschungsgefahr nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG entgegenstehen.
Hinsichtlich der Unterscheidungskraft sei auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen. Das seien alle Kreise, in denen die fragliche Marke Verwendung findet oder Auswirkung haben kann. Maßgeblich sei die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers. Die in Rede stehende Marke sei klanglich mit dem französischen Begriff für „Käse“ identisch. Gerade bei Käse sei es aber nicht unüblich, Waren unter dem französischen Namen zu verkaufen. Der Begriff sei einem entscheidungserheblichen Teil der maßgeblichen Verbraucherkreise geläufig. Auch die Ersetzung des Anfangsbuchstabens durch ein „V“ sei keine Neuheit – so sei es nachweislich seit vielen Jahren üblich, Ersatzprodukte als „Vleisch“, „Visch“ oder „Vurst“ zu bezeichnen. Mithin werde das Kennzeichnungsschema problemlos von einem entscheidungserheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise erkannt. Folglich sei die Bezeichnung zwar geeignet, auf Art, Beschaffenheit oder Aussehen seiner Ware oder Dienstleistung hinzuweisen, nicht jedoch auf die Herkunft aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb.
Des Weiteren sei eine Täuschungsgefahr nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG gegeben. Aufgrund der phonetischen Identität der Begriffe „Fromage“ und „Vromage“ sei die Abwandlung nur bei schriftlicher Wiedergabe und Kenntnissen der französischen Sprache erkennbar. Damit erweise sich die Bezeichnung für einen relevanten Teil der angesprochenen Verkehrskreise als ersichtlich täuschende Angabe.
Die Entscheidung verdeutlicht, in welchem Spannungsfeld sich Markenanmelder befinden: Auf der einen Seite soll die Ersetzung des Anfangsbuchstabens für die relevanten Verkehrskreise so üblich sein, dass es dem Begriff an Unterscheidungskraft fehle. Auf der anderen Seite nimmt das BPatG gleichermaßen eine Täuschungsgefahr an, weil wiederum relevante Verkehrskreise die Wörter „Fromage“ und „Vromage“ nicht unterscheiden können und daher mit einem herkömmlichen Käseprodukt rechnen. Markenanmelder müssen also darauf achten, dass ihre Marke für die Zielgruppe nicht rein beschreibend und gleichzeitig für andere Verbraucher nicht missverständlich ist.
Erschwert wird die Namensfindung dadurch, dass die Markenämter sehr unterschiedlich entscheiden. So hatte der Anmelder auf die vergleichbaren Eintragungen „Simply V“ und „Vayonaise“ verwiesen. Mangels Bindungs- und Indizwirkung derartiger Voreintragungen konnte er mit diesem Argument selbstverständlich nicht durchdringen. Eine Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Markenanmeldung wird dadurch jedoch nicht gerade einfacher. Die Marken „Simply Vegan“ und „Vegenaise“ haben es beispielsweise im Gegensatz zu „Simply V“ und „Vayonaise“ nicht in das Register geschafft.
Die Frage der Unterscheidungskraft spielte auch in einer Entscheidung des EuG vom 20. Januar 2021 (T-253/20) eine Rolle. Das schwedische Lebensmittelunternehmen Oatly AB, vorwiegend bekannt für seine Hafergetränke, die als Milchersatzprodukte beworben werden, begehrte die Eintragung der Wortmarke „It’s like milk but made for humans“. Diese Anmeldung wies das EUIPO mit Verweis auf das absolute Schutzhindernis aus Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV zurück. So enthalte der erste Satzteil lediglich den Hinweis auf das beworbene Produkt als Milch-Substitut, während der zweite Satzteil impliziere, dass die Produkte für den Verzehr besonders geeignet seien. Als Ganzes sei der Slogan damit weder überraschend noch unerwartet und rege auch nicht zum Nachdenken an. Der Slogan würde damit primär Werbecharakter entfalten und nicht zum Herkunftsnachweis geeignet sein.
Das sah das EuG anders. Zunächst hielt es an seiner bisherigen Rechtsprechung zu Slogan-Marken fest, dass bereits eine minimale Unterscheidungskraft ausreiche, damit das Schutzhindernis aus Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV nicht greife. Zudem seien Werbeslogans weder per se vom Markenschutz ausgenommen, noch dürften strengere Anforderungen an den Schutz gestellt werden.
Maßgeblich seien englischsprachige Verkehrskreise, was alle Länder einschließt, in denen Englisch weitgehend verstanden wird. Aufgrund des „but“ in der Mitte des Slogans würden die voran- und nachgestellten Satzteile von den angesprochenen Verkehrskreisen als Gegensatz verstanden werden. Der erste Satzteil weise darauf hin, dass das beworbene Produkt milchähnlich sei. Der zweite Satzteil hingegen vermittle, dass diese Milchalternative besser als „richtige“ Milch sei und hinterfrage, ob „richtige“ Milch überhaupt zum menschlichen Verzehr geeignet sei. Folglich stelle der Slogan die gemeinhin akzeptierte Vorstellung infrage, dass Milch wesentlicher Teil der menschlichen Ernährung sei. Dadurch würde ein kognitiver Prozess angestoßen, der es einfacher mache, sich den Slogan zu merken. Das wiederum fördere die Unterscheidungskraft.
Ein weiterer Streit um Produktnamen kommt aus den Niederlanden. Dort hat das US-amerikanische, auf pflanzliche Fleisch- und Milch-Substitute spezialisierte Unternehmen Impossible Foods, Inc. den Schweizer Konzern Nestlé verklagt. Nestlé plante mit seiner pflanzlichen Frikadelle „Incredible Burger“ in den Markt einzusteigen. Impossible Foods, Inhaber der US- und Unionsmarken „Impossible Burger“ deutete entsprechende Gegenwehr an. Während Nestlé in den USA bereits auf die Bezeichnung „Awesome Burger“ umgeschwenkt war, versuchte man es in der EU mit einem Löschantrag beim EUIPO gegen die „Impossible Burger“-Marke. Als Begründung wurden die absoluten Eintragungshindernisse aus Art. 7 Abs. 1 lit. b und c UMV angegeben. Impossible Foods versuchte den europäischen Marktstart des Incredible Burgers mit einer Unterlassungsklage gegen (u.a.) eine niederländische Nestlé-Tochter in Den Haag zu verhindern. Aufgrund des parallelen Verfahrens vor dem EUIPO setzte das Gericht in Den Haag das Verfahren nach Art. 132 Abs. 1 UMV aus, entschied aber gemäß Art. 132 Abs. 3 UMV über einstweilige Sicherungsmaßnahmen.
In diesem Rahmen widmete sich das Gericht in Antizipation des EUIPO-Verfahrens auch der Frage der Eintragungshindernisse und setzte sich detailliert mit den Wörtern „impossible“ und „incredible“ auseinander. Nach Auffassung des Gerichts könne der Zusatz „impossible“, also „unmöglich“, für ein tatsächlich existierendes Produkt überhaupt nicht beschreibend sein. Auch sei kein rein werblicher Charakter erkennbar, da sich die pflanzliche Basis des Produkts nicht aus der Bezeichnung „impossible“ ergebe. Im Verhältnis zum „Incredible Burger“ nahm das Gericht eine Verwechslungsgefahr an. So seien die beiden Zusätze optisch und auch entfernt phonetisch ähnlich. Allerdings gebe es inhaltlich klare Unterschiede: Während ein „Impossible Burger“ für die Zielgruppe ein Burger sei, dessen Existenz unmöglich sei, würde ein „Incredible Burger“ eher als außergewöhnlich verstanden. Konzeptionell ähnlich sei einzig, dass die Zielgruppe vor der Frage stünde, was denn nun so unmöglich oder außergewöhnlich an den Burgern sei. Für eine Verwechslungsgefahr spricht nach Ansicht des Gerichts aber auch, dass Nestlé im Vorfeld versucht hatte, mit Impossible Foods einen Lizenzvertrag abzuschließen. Nach Offenlegung vertraulicher Unterlagen habe Nestlé von dem Vorhaben Abstand genommen und den eigenen Burger entwickelt. Hierin sah das Gericht ein Indiz für eine bewusste Strategie gegen die „Impossible“-Marke.
Auch über den Umweg des Art. 14 Abs. 1 lit. b UMV konnte Nestlé keinen Erfolg erzielen. Danach können Benutzungshandlungen für rein beschreibende Zeichen freigestellt werden. Das Zeichen „Incredible Burger“ ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht rein beschreibend. Anders als Bezeichnungen wie z.B. „Linsenburger“ oder „Cheese-Burger“ vermittle „Incredible Burger“ keine Informationen über das Produkt selbst. Schlussendlich erließ das Gericht in Den Haag eine Unterlassungsverfügung und gab Nestlé auf, Produkte mit dem streitigen Zeichen binnen vier Wochen vom Markt zu nehmen. Dass Nestlé damit praktisch zu einem Rebranding gezwungen werden würde, die einstweilige Maßnahme also endgültigen Charakter entfalte, sei auch nicht unverhältnismäßig, da Nestlé dieses Risiko in vollem Bewusstsein der Existenz der „Impossible“-Marke eingegangen sei.
Neben Europa sind die USA ein wichtiger Absatzmarkt für vegane und vegetarische Ersatzprodukte. Dementsprechend beschäftigt sich das United States Patent and Trademark Office (USPTO) mit ähnlichen Rechtsfragen. In einem Anfang 2021 zu Ende gegangenen Rechtsstreit ging es um die Marke „The Vegan Butcher“. Eine entsprechende Markenanmeldung war bereits 2017 von dem Startup „The Herbivorous Butcher“ angestrengt, aber vom USPTO zurückgewiesen worden. Im Jahr 2020 versuchte es Nestlé erneut. „The Herbivorous Butcher“ sah hierdurch sein Geschäftskonzept gefährdet und ging dagegen vor. Daraufhin verzichtete Nestlé, die Anmeldung weiterzuverfolgen. Die Bezeichnung „The Vegan Butcher“ bleibt damit vorerst frei. Fraglich ist, ob das von Dauer ist. So ist beispielsweise das Ende 2018 von Unilever aufgekaufte Unternehmen „The Vegetarian Butcher“ Inhaber einer gleichnamigen Marke – allerdings als Wortbildmarke.
Dass die Thematiken rund um die Bezeichnung veganer und vegetarischer Ersatzprodukte noch auf längere Zeit die Markenämter und Gerichte beschäftigen wird, zeigt das noch beim USPTO anhängige Verfahren zum Wortbestandteil „Beyond“. So begehrt die deutsche Katjes Fassin GmbH + Co. KG die Eintragung der US-Marke „Beyond Milk“ für Milch-Substitute. Hiergegen legte die Beyond Meat, Inc. am 30. Oktober 2020 Widerspruch ein. Das Unternehmen verfügt über einen ganzen Katalog von Marken, die aus Zusammensetzungen von „Beyond“ mit einem Lebensmittel bestehen, darunter „Beyond Chicken“, „Beyond Beef“ und „Beyond Fish“. Durch die Anmeldung der Marke „Beyond Milk“ befürchtet „Beyond Meat“ eine Verwechslungsgefahr mit den eigenen Produkten, da der Zusatz „Beyond“ mittlerweile auf dem Markt als Erkennungszeichen der „Beyond Meat“-Produkte etabliert sei.
Wenn in den nächsten Jahren das schon seit längerem angekündigte, künstlich gezüchtete Labor-Fleisch in den Supermarktregalen erscheint, ist eine erneute Schwemme an mehr oder weniger kreativen Produktbezeichnungen zu erwarten. Dann mag dem durchschnittlichen Verbraucher das Konzept der Ersatzprodukte zwar geläufig sein. Lebensmittelproduzenten dürfte dann jedoch daran gelegen sein, sich bereits mit dem Produktnamen von den rein pflanzlichen Alternativen abzugrenzen. Bei einem Blick auf die Firmen der aktuell hochgehandelten Startups in dieser Branche (u.a. „Mosa Meat“, „Peace of Meat“, „Innocent Meat“, „New Age Meats“, „Avant Meats“ und „Memphis Meats“) scheinen weitere marken- und wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen jedenfalls nicht unwahrscheinlich zu sein.
Robin Schmitt ist Rechtsanwalt bei CMS Deutschland und auf den gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert. Schwerpunktmäßig berät er nationale und internationale Unternehmen in gerichtlichen und außergerichtlichen Fragen des Markenrechts.