Lauterkeitsrecht

Wie klar müssen Sterne strahlen? – Die Transparenzanforderungen von Sternebewertungen nach dem Urteil des BGH v. 25. Juli 2024, I ZR 143/23

Ein Beitrag von Tom Linge

Sternebewertungen sind auf digitalen Märkten allgegenwärtig und von entscheidender Bedeutung für den Markterfolg einer Ware oder Dienstleistung – aber wie transparent müssen sie sein? Tom Linge fasst die hierzu am 25. Juli 2024 ergangene Entscheidung des BGH zusammen und ordnet die Beurteilung von Sternebewertungen in den Kontext anderer Bewertungsmerkmale ein.

© Tom Linge

Einleitung

Kundenbewertungen sind für Verbraucher eine bedeutende Orientierungshilfe und für Unternehmen ein wirkungsvolles Marketinginstrument. Im digitalen Marktumfeld haben sich zur Beurteilung von Waren und Dienstleistungen vor allem „Sternebewertungen“ etabliert. Sternebewertungen sind einfach und schnell erfassbar und erlauben dem Verbraucher eine rasche erste Einschätzung, ohne umfangreich Informationen verarbeiten zu müssen (näher dazu: Park/Nicolau, 2015). Von den dadurch bedingten Effizienzvorteilen profitiert der Verbraucher, gleichzeitig erhöhen aber Vereinfachungen auch die Irreführungsgefahr. Das Interesse des Verbrauchers an einer simplifizierten Darstellung durch Sternebewertungen steht damit im Spannungsverhältnis zu seinem Interesse, eine irreführungsbedingte Fehlallokation seiner Ressourcen zu vermeiden bzw. positiv formuliert: eine informierte Entscheidung zu treffen. Mit dem Grenzbereich dieses Verhältnisses hat sich nun der BGH (Urt. v. 25. Juli 2024, I ZR 143/23) auseinandergesetzt.

Zum Sachverhalt

Die Beklagte betrieb eine Online-Plattform, über die Immobilienverkäufer an Immobilienmakler vermittelt wurden. In ihrer Werbung hob sie hervor, dass die von ihr vermittelten Makler von ihren Kunden im Durchschnitt mit 4,7 von 5 Sternen bewertet worden seien. Dabei machte sie jedoch keine Angaben zur Gesamtzahl der Bewertungen, zum Zeitraum, in dem diese abgegeben wurden, oder zur Verteilung der Bewertungen auf die einzelnen Sterneklassen.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, sah hierin eine unlautere geschäftliche Handlung und verlangte am 12. April 2021 von der Beklagten Unterlassung sowie die Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten, was die Beklagte jedoch ablehnte. Daraufhin erhob die Klägerin am 16. Juni 2021 Klage zum Landgericht Hamburg. Im Kern ging es vor dem LG Hamburg, in der Berufungsinstanz sowie schließlich vor dem BGH um die Frage, wie weitreichend Plattformbetreiber Transparenzmaßnahmen zu treffen haben, sobald sie ihre Ware oder Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Sternebewertung bewerben. Das LG Hamburg gab der Klage insoweit statt, als es die Angabe einer durchschnittlichen Sternebewertung ohne Nennung der Gesamtzahl und des Zeitraums der berücksichtigten Kundenbewertungen als Irreführung durch Unterlassen im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG wertete. Hiergegen legte die Beklagte keine Rechtsmittel ein, sodass das Urteil des LG Hamburg insoweit auch rechtskräftig wurde.

Anders urteilt das LG jedoch hinsichtlich der fehlenden Aufschlüsselung: hierin sah die Kammer keinen Verstoß gegen § 5a Abs. 1 UWG, was auch vom Oberlandesgericht Hamburg (Urt. v. 21. September 2023, 15 U 108/22) so gesehen wurde. Der Wettbewerbsverband gab sich indes nicht zufrieden und legte Revision in Karlsruhe ein.

Wie äußerte sich der BGH?

Zunächst führt der BGH aus, dass die UWG-Reform 2022 für den anzulegenden Prüfungsmaßstab ohne Bedeutung sei: Auch nach dem am 28. Mai 2022 in Kraft getretenen § 5a Abs. 1 UWG gelte eine Geschäftspraxis dann als irreführend, „wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkung des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte“ (Rn. 10). Daran ändere laut BGH auch der im Vergleich zu § 5 Abs. 2 S. 1 UWG aF leicht veränderte Wortlaut nichts (Rn. 11).

Sodann befasste sich der BGH mit dem Merkmal der „wesentlichen Information“ im Sinne des § 5a UWG und gibt den maßgeblichen Prüfungsmaßstab vor: abzustellen sei auf den Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers (Rn. 13). Dieser Verbraucher dürfe keine allgemeine Aufklärungspflicht über Tatsachen erwarten, auch wenn sie für ihn möglicherweise nützlich seien (Rn. 13). Vielmehr müsse neben eine berechtige Erwartung ein für die geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht der Angabe treten (Rn. 13).
Können Sternebewertungen überhaupt ein solches „erhebliches Gewicht“ haben?

Ja, denn auch der BGH nimmt an, dass Sterne- bzw. Kundenbewertungen im Allgemeinen eine zentrale Rolle im Online-Marketing spielen und verweist insoweit auch auf die Einschätzung des Gesetzgebers, nach der das Ranking eines Angebots regelmäßig maßgeblich beeinflusst, ob Verbraucher das Angebot überhaupt näher in Betracht ziehen (Rn. 16; siehe auch BT-Drucks. 19/27873, S. 36).

BGH-Rechtsprechung zur Werbung mit Testsiegeln oder Prüfzeichen übertragbar?

Der BGH hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach die Transparenzanforderungen für Testsiegel und Prüf-/Gütezeichen näher konturiert: So wurde für Testsiegel entschieden, dass dem Transparenzbedürfnis des Verbrauchers nicht genüge getan wird, wenn er die testbezogene Werbung nicht nachvollziehen und insbesondere nicht in den Gesamtzusammenhang einordnen kann (BGH – Testsiegel auf Produktabbildung, Rn. 15). Auch bei Prüfzeichen müssen die Rahmenbedingungen und der Inhalt des zugrundeliegenden Produkttests für den Verbraucher transparent sein (BGH – LGA tested, Rn. 40). Im Gleichlauf dazu könnte im Grundsatz auch bei Sternebewertungen davon auszugehen sein, dass der Durchschnittsverbraucher diese nur dann zutreffend einordnen könne, wenn ihm auch die Aufschlüsselung zugänglich gemacht werde.

Einem derartigen Verständnis trat der BGH jedoch mit zwei Argumenten entgegen, die beide ihren Ursprung in der Heterogenität von Sternebewertungen haben. Zum einen werde die Bewertung häufig nach individuellen, nicht nachvollziehbaren Maßstäben gebildet (Rn. 22). Dies sei dem Durchschnittsverbraucher auch bekannt (Rn. 22). Hingegen solle bei Testsiegeln und Prüfzeichen dem Verbraucher der Eindruck vermittelt werden, das beworbene Produkt sei durch feste, objektive Kriterien entwickelt und das Siegel bzw. Zeichen durch eine neutrale Stelle vergeben worden (Rn. 23).

Zum anderen präsentiere die Plattform lediglich die durchschnittliche Sternebewertung, die ihre Immobilienmakler als Gesamtgruppe von den Maklerkunden erhalten hatten (Rn. 22). Anders als bei Testsiegeln und Prüfzeichen fehle dann jedoch die Situation, in der die bewertete Dienstleistung in den Kontext anderer, von derselben Stelle geprüfter Dienstleistungen eingeordnet werden könne (Rn. 22).

BGH: Auch Interessenlage nicht vergleichbar

Der BGH setzte sich zudem mit der Frage auseinander, ob jedenfalls eine vergleichbare Interessenlage anzunehmen ist. Hiergegen wandte der BGH ein, dass der Durchschnittsverbraucher wisse, dass eine Sternebewertung üblicherweise aus einer Mischung von guten und schlechten Bewertungen resultiere (Rn. 25). Anhand der Gesamtzahl und des Bewertungszeitraums könne er die Aussagekraft der Durchschnittsbewertung einschätzen und beurteilen (Rn. 25). Auch ohne die genaue Verteilung der Sterneklassen zu kennen, ließe sich so eine verlässliche Einschätzung der Qualität der Leistung vornehmen (Rn. 25). Damit schloss sich der BGH letztlich dem OLG Hamburg an, das die Aufgliederung zwar für den Verbraucher „nützlich“ hält, dieser Information jedoch auch kein „erhebliches Gewicht“ beimisst (Rn. 61, 62). Im Ergebnis ist daher auch nach dem BGH eine Aufschlüsselung nach Sterneklassen nicht erforderlich.

Was folgt aus dem Urteil?

Auch nach dem BGH ist hinsichtlich der Irreführung durch verschiedene „plakative Bewertungsmerkmale“ zu differenzieren. Diese Unterscheidung ist auch sachgerecht, da Testsiegel und Prüfzeichen – anders als Sternebewertungen – ein großes Vertrauen in das Werturteil auch gerade dadurch in Anspruch nehmen, dass diesen der Eindruck einer Objektivität und Neutralität innewohnt. Dann kann die Aussagekraft dieser Merkmale durch den Verkehr auch nur zutreffend beurteilt werden, wenn die hinter der Bewertung liegenden Maßstäbe überprüfbar sind. Insoweit ähneln Sternebewertungen eher Geschmackstests, bei denen der Durchschnittsverbraucher auch keine verlässlichen Maßstäbe erwartet, an denen er seine Kaufentscheidung ausrichten kann (so zu Geschmackstests: MüKoUWG/Busche, 3. Aufl. 2020, UWG § 5 Rn. 418).

Das bedeutet jedoch nicht, dass bei Sternebewertungen eine Aufschlüsselung stets unwesentlich ist. Denkbar ist, dass der Durchschnittsverbraucher bei einer bestimmten Ware oder Dienstleistung ein besonderes Vertrauen auf eine Mindestzufriedenheit (nahezu) aller Bewertungen legt, sodass sich eine Aufgliederung im Einzelfall nicht als bloß „nützlich“ darstellt. Zu beachten ist außerdem, dass der Eindruck eines uneinheitlichen Bewertungsmaßstabs und die Einzelbetrachtung für Sternebewertungen zwar typisch, aber keinesfalls zwingend sind. So könnte dem Durchschnittsverbraucher auch bei Sternebewertungen, etwa durch einen Verweis auf „Expertenmeinungen“, der Eindruck einer erhöhten Aussagekraft der Bewertungen vermittelt und eine Aufschlüsselung für eine informierte Entscheidung erforderlich werden.

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Tom Linge ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Gewerblichen Rechtsschutz von Herrn Prof. Dr. Jan Busche an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie Redakteur bei dusIP.

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