Urheber- und Medienrecht

Jenseits des Hypes: NFTs, Digitale Kunst und Urheberrecht

Ein Beitrag von WissMit Tobias Lantwin

$69 Mio. für ein .jpeg? Dazu noch für ein .jpeg, das von jedem mit der rechten Maustaste angeklickt und heruntergeladen werden kann? Warum sollte jemand so viel Geld zahlen für… nun, was eigentlich? NFTs (Non-Fungible Tokens) werfen viele Fragen auf, nicht nur aus technischer, sondern auch aus urheberrechtlicher Sicht. Einen Überblick über das Thema gibt Tobias Lantwin.

Offenbar $590.000 wert: ein NFT des „Nyan Cat“ Memes.

Erst kürzlich haben Non-Fungible Tokens (NFTs) wiederholt Schlagzeilen in der Kunstwelt mit den durch sie generierten, beachtlichen Verkaufssummen gemacht. Von den „Nyan Cat“, „Disaster Girl“ und „Charlie bit my finger“ Memes (verkauft für jeweils $590.000, $500.000 und £538.000), über den ersten Tweet von Twitter-Gründer Jack Dorsey (verkauft für $2.915.835,47), bis hin zu einer unsichtbaren Skulptur des italienischen Künstlers Salvatore Garau (verkauft für rund $18.200) und der kroatischen Tennisspielerin Oleksandra Oliynykova, die Teile ihres rechten Arms in einen NFT gewandelt hat (verkauft für $5.000) – NFTs können alle erdenklichen Inhalte repräsentieren. Selbst dieser Blogeintrag könnte zu einem NFT werden. Den wohl bemerkenswertesten Preis erzielte jedoch das NFT eines digitalen Kunstwerks des Künstlers Beeple mit dem Titel „Everydays: The first 5000 days“, das bei einer Auktion des Auktionshauses Christie’s Anfang März 2021 für $69.346.250 versteigert wurde.

Was also ist ein NFT? Oder mit anderen Worten: was wurde dort gekauft, das einen Wert von $69.346.250 hat? Im Allgemeinen betreffen NFTs Inhalte, die mit einer Blockchain (in der Regel ist dies die Ethereum-Blockchain) über einen Token verbunden sind, d.h. über einen Datensatz mit einer eindeutigen ID. Dieser Token „repräsentiert“ das digitale Kunstwerk. Dieser Token ist der NFT, der gekauft und verkauft werden kann. Es gibt keine Grenzen, welche Inhalte durch NFTs repräsentiert werden können. So können sie digitale Bilder, Video- und Audioaufnahmen oder vollkommen Ungegenständliches repräsentieren (wie etwa eine unsichtbare Skulptur). Was NFTs in gewissem Maße besonders macht ist, dass sie im Gegensatz zu fungiblen Token (z.B. die Bitcoin-Kryptowährung oder zahlreiche andere Kryptowährungen) nicht austauschbar sind. NFTs sind insofern einzigartig, als sie sich über einen spezifischen und einzigartigen Token auf einen einzigartigen Inhalt beziehen (z.B. ein Werk der digitalen Kunst), wobei der Token nicht ausgetauscht oder durch einen anderen Token ersetzt werden kann, wie es etwa bei Bitcoin der Fall ist.

NFTs waren ursprünglich dazu konzipiert, das Problem von Künstlerinnen und Künstlern zu lösen, dass, sobald sie ihr digitales Werk online veröffentlichen, praktisch jeder mit einer Internetverbindung dieses Werk rechtsklicken und speichern, und es nach seinem Belieben kopieren, verändern oder weiterverbreiten kann, ohne den ursprünglichen Urheber kenntlich zu machen. Dadurch, dass es Künstlerinnen und Künstlern möglich ist, einen NFT zu erstellen (auch „minten“ genannt), der unveränderlich auf eines ihrer Kunstwerke verweist, soll ihnen damit die Möglichkeit gegeben sein, die Provenienz des Kunstwerkes, d.h. dessen Eigentümerhistorie, zu belegen. Die Idee ist folglich, dass bei Erstellung eines Werkes zugleich ein NFT erstellt wird, der die Echtheit und Herkunft des Werkes belegen soll und jeden Weiterverkauf entsprechend dokumentieren soll. Da jede auf den NFT bezogene Transaktion in der Blockchain nahezu fälschungssicher dokumentiert wird, ist es mithin jedem möglich, die aktuellen und früheren Besitzverhältnisse der jeweiligen NFTs einzusehen. Nicht selten ist das Ziel, die „Kontrolle“ über digitale Kunst „wiederzuerlangen“, eines der Hauptmotive von Künstlern für die Erstellung von NFTs.

Da zudem jedes NFT eines Kunstwerks immer auch „einzigartig“ ist (da der Token selbst einzigartig ist), wird NFTs oft zugeschrieben, dass sie das Konzept der Seltenheit und Verknappung künstlerischer Güter in das Gebiet der digitalen Kunst eingeführt haben. Da die Künstler entscheiden können, einen oder sogar mehrere einzigartige NFTs zu einem ihrer Kunstwerke zu erstellen, sollen NFTs zudem das zugrunde liegende Konzept hinter Sammlerobjekten (wie Baseballkarten) in die digitale Welt übertragen. Ein gutes Beispiel dafür sind die CryptoKitties NFTs, die es ihren Nutzern ermöglichen, einzigartige Sets virtueller Katzen zu erstellen, zu kaufen und verkaufen und somit zu sammeln.

Doch inwieweit stellen NFTs ein urheberrechtliches Problem dar? Das grundlegende Problem bei NFTs ist, dass nicht nur der Künstler oder die Künstlerin einen NFT von seinem oder ihrem Kunstwerk erstellen kann. Vielmehr kann prinzipiell jeder einen NFT von jedem erdenklichen Inhalt erstellen, ohne die Urheberschaft oder die Inhaberschaft von Lizenzrechten nachweisen zu müssen. So ist es nicht verwunderlich, dass Trittbrettfahrer bereits erfolgreich begonnen haben, NFTs von fremden Kunstwerken zu erstellen und zu verkaufen – zum Leidwesen der ursprünglichen Urheber. Angesichts der nicht unbeträchtlichen Geldsummen, die Künstler mit dem Verkauf von NFTs verdienen (und oft sogar mindestens 10% mit jedem Weiterverkauf), fühlen sich viele Künstler nachvollziehbarerweise in ihren Rechten beeinträchtigt und machen Urheberrechtsverletzungen geltend.

Stellt also das Erstellen und Verkaufen von NFTs von fremder Kunst eine Verletzung der Rechte des ursprünglichen Künstlers dar? Um diese Frage zu beantworten, ist ein genauerer Blick auf die technischen Abläufe bei der Erstellung und dem Verkauf von NFTs erforderlich sowie ferner darauf, was bei der Übertragung von NFTs an einen neuen „Owner“ eigentlich genau verkauft wird (die folgenden Ausführungen basieren auf umfangreichen Einzelerläuterungen zu der Technik, die hier abrufbar sind). Hier erliegen viele Medienberichte bereits offensichtlichen Missverständnissen. Eines ist sicher: ganz regelmäßig ist es nicht das digitale Kunstwerk selbst, das verkauft wird.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, digitale Kunstwerke in NFTs zu überführen (ein guter Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten findet sich hier). Die wohl gängigste Methode, NFTs in der Praxis zu erstellen, liegt in der Nutzung spezialisierter NFT-Minting-Plattformen (wie OpenSea, Niftygateway, etc., um nur wenige zu nennen), die auf ihren Websites die für die Erstellung und den Verkauf von NFT-Kunst nötige technische Infrastruktur bereitstellen. Der Ersteller eines NFT kann die erforderlichen Dateien jedoch auch selbst hochladen und hosten.

In jedem Fall beinhaltet der erste Schritt regelmäßig das Hochladen eines digitalen Kunstwerks jeglicher Art. Da Dateien, die digitale Kunst enthalten, in der Regel zu groß sind, um sie auf dem begrenzten Platz auf der Ethereum-Blockchain zu speichern (wodurch das Hochladen zudem auch recht kostenintensiv wird), werden sie in der Regel anderweitig gespeichert. Sie werden entweder auf eine der vielen dafür vorgesehenen Plattformen oder auf einen beliebigen anderen Hosting-Bereich hochgeladen (wie etwa auf das häufig verwendete „Interplanetary File System“ oder „IPFS“, ein dezentrales Filesharing-System im Darknet, das für das Beeple-Kunstwerk verwendet wurde).

Sodann wird ein kryptografischer Hash-Algorithmus verwendet, um einen individuellen Hash der Datei zu erstellen, die das Kunstwerk enthält. Ein starker Hash-Algorithmus erzeugt dabei eine Signatur (oder einen „Fingerabdruck“) der Datei, die aus einer Folge von Buchstaben und Zahlen besteht, die diese Datei (und nur diese Datei) eindeutig identifiziert, da – theoretisch – keine andere Datei denselben Hash erzeugen kann. Das Verändern auch nur eines Pixels eines Bildes führte sofort zu einem völlig anderen Hash-Code. Daher kann dieser Hash zur eindeutigen Identifizierung des „ursprünglichen“ Bildes dienen.

Beispiel: Dies ist der 256-Bit-Hexadezimal-Hashwert für das Kunstwerk von Beeple:
6314b55cc6ff34f67a18e1ccc977234b803f7a5497b94f1f994ac9d1b896a017

Ist dieser Hashwert erzeugt, wird eine begleitende Metadaten-Datei für das Kunstwerk erstellt. Diese Datei im .JSON-Format enthält Metadaten zum Kunstwerk, wie z. B. Namen und Titel des Kunstwerks, den Namen des Künstlers, eine Beschreibung des Werkes und andere Informationen. In diesem Zusammenhang besonders relevant ist jedoch, dass die Metadaten-Datei auch den Hash der Kunstwerk-Datei und einen exakten Hyperlink zu dem Hosting-Bereich enthält, auf dem die Kunstwerk-Datei gehostet wird. Schließlich wird diese .JSON-Metadaten-Datei auch in das Internet oder Darknet hochgeladen und gehasht.

Die .JSON-Datei des Beeple-Kunstwerks (hier abrufbar) sieht folgendermaßen aus. Der Hashwert des Kunstwerks ist unter „digital media signature“ zu sehen.

Für die Erstellung eines NFTs verwenden die Ersteller sog. Smart Contracts, die auf der Ethereum-Blockchain ausgeführt werden. Smart Contracts sind keine Verträge im Rechtssinne, sondern geschriebener Code, der Befehle unter vordefinierten Bedingungen ausführt. Um einen NFT zu erstellen, verwenden die Ersteller die verschiedenen, im Smart Contract programmierten Funktionen, um einen neuen Token zu erstellen und sowohl den Hash der Metadaten-Datei als auch einen exakten Hyperlink zum Hosting-Bereich, auf dem die Metadaten-Datei gehostet wird, einzufügen. Ferner wird der Ersteller als „Creator“ und „Owner“ des NFT designiert und dem Token wird eine ID zugewiesen. Der auf diese Weise erzeugte Token ist letztlich der so genannte „Non-Fungible Token“. Es ist dieser Datensatz, der letztlich in die Blockchain geschrieben wird.

Im Fall des Beeple-NFT wurde beispielsweise der „MakersTokenV2“ Smart Contract verwendet. Die ID des NFT lautet #40913 (d. h., dieser Token ist der 40.913. Token, der mit diesem Smart Contract erstellt wurde) und der „Creator“-Hashwert entspricht dem von Beeple – oder präziser: er entspricht Beeples Wallet-Adresse, die er zum Erstellen des NFTs auf der Blockchain verwendet hat.

#40913
• creator:
0xc6b0562605d35ee710138402b878ffe6f2e23807
• MetadataPath:
QmPAg1mjxcEQPPtqsLoEcauVedaeMH81WXDPvPx3VC5zUz
• tokenURl:
ipfs://ipfs/QmPAg1mjxcEQPPtqsLoEcauVedaeMH81WXDPvPx3VC5zUz

Im Wesentlichen ist ein NFT daher eine Kette von Referenzen: Der NFT enthält den Hashwert und den Hyperlink zur Metadaten-Datei, die wiederum den Hashwert und den Hyperlink zum eigentlichen Kunstwerk enthält, das der NFT repräsentiert (d.h., Hash → Metadaten → Hash → digitales Kunstwerk). Da die Hash-Kette nicht zerstört oder unterbrochen werden kann, ohne dass dies zu einer Veränderung der jeweiligen Hashes führt, sind die Referenzen praktisch manipulationssicher.

Um den NFT zu verkaufen, führt der Ersteller die transfer()-Methode des Smart Contracts aus (der Ersteller ist, solange dieser das Passwort zum jeweiligen Wallet nicht verliert, die einzige Person, die dies initiieren kann). Durch das Ausführen dieser Methode wird der aktuelle Wert bei „Owner“ auf den Adresswert einer anderen Wallet, nämlich der des Käufers, geändert. Dies ist im Wesentlichen alles, was der Käufer mit dem Kauf erhält. Der Käufer wird in der Instanz des jeweiligen Smart Contracts in die Rolle des „Owners“ versetzt. Oder, präziser ausgedrückt, der Käufer bekommt die Möglichkeit, den „Owner“-Wert nun selbst auf einen anderen etwaigen Käufer zu ändern.

Anders also, als es viele Medienberichte suggerieren (z.B. hier, hier oder hier), erhält der Käufer eines NFTs also nicht „das digitale Kunstwerk“ selbst. Er erhält auch keine Exklusivrechte oder Lizenzrechte. Zwar besteht die Möglichkeit, einen zusätzlichen Lizenzvertrag abzuschließen (wie dies bei den CryptoKitties NFTs der Fall ist), doch entspricht dies nicht dem Normalfall. Regelmäßig kann daher der neue „Owner“ des NFTs grundsätzlich keine Rechte an dem Kunstwerk beanspruchen. Stattdessen soll der NFT das Kunstwerk lediglich „repräsentieren“. Dass dem so ist, wird besonders deutlich in Fällen, in denen NFTs für andere Inhalte als digitale Bilder erstellt werden, wie z.B. für den Arm der kroatischen Tennisspielerin. An Körperteilen eines anderen Menschen kann es keine Rechte geben.

Das Einzige, was der Käufer folglich erhält, ist die Möglichkeit, den Status des „Owners“ des NFTs zu ändern (und nicht den Status der Rechte hinsichtlich des Kunstwerks). Der NFT enthält nicht mehr als einen Verweis auf eine Metadaten-Datei, die wiederum einen weiteren Verweis auf die eigentliche Datei enthält, mit der der Käufer (oder im Grunde jeder beliebige Dritte, da die Links für jedermann in der Blockchain einsehbar sind) das jeweilige Kunstwerk betrachten kann. Daher besteht für den Käufer stets das Risiko, dass die zum NFT zugehörigen Dateien, die das Kunstwerk und/oder die Metadaten enthalten, von den Servern gelöscht werden, auf denen sie gespeichert sind (dies geschieht bereits regelmäßig).

Ein Vergleich aus der analogen Welt veranschaulicht die Prozesse, die beim Erstellen und Verkaufen von NFTs ablaufen. Ein oftmals aufgeworfener Vergleich ist der folgende: Man stelle sich vor, man betrachte die Mona Lisa im Louvre. Daneben steht Leonardo da Vinci (der zu Zwecken des Vergleichs noch leben soll). Er überreicht dem Betrachter ein Stück Papier, das eine Beschreibung (oder „Metadaten“) von Bildinformationen der Mona Lisa enthält, darunter den Bildtitel, den Maler sowie den Ort, an dem sie im Louvre zu finden ist. Zudem weist das Papier da Vincis Unterschrift als Beweis dafür auf, dass er diese Quittung selbst geschrieben hat. Diese Quittung wird dann in einen Umschlag gegeben (was als Äquivalent zu dem NFT dienen mag), welcher wiederum in ein Schließfach gelegt wird, dessen Inhalt für jeden sichtbar ist (was als Äquivalent zur Blockchain dienen mag). Durch den Kauf der Quittung (und nicht des Kunstwerks!) hat der Käufer die Möglichkeit, den Umschlag mit der Quittung in seinem Schließfach zu lagern, für das nur dieser den Schlüssel hat. Das versetzt den Käufer in die Lage, diesen Umschlag in das Schließfach eines jeden anderen zu übertragen, der bereit ist, einen durch den Käufer akzeptierten Preis zu zahlen. Bis dies geschieht, ist der Umschlag unter der Kontrolle des Käufers – oder, der Käufer „besitzt“ ihn: den NFT. Ob er daneben auch Eigentum oder sonstige Nutzungsrechte an dem Kunstwerk erworben hat, das der NFT repräsentiert, ist eine gänzlich andere Frage, die durch den Kauf eines NFT allein in der Regel nicht beantwortet wird.

Zusammenfassend gilt: Der NFT ist nicht das Kunstwerk selbst. Der NFT „repräsentiert“ lediglich das Kunstwerk, indem er durch verschiedene Verweisketten auf das Werk verweist. Daneben bleibt das digitale Kunstwerk in der Regel online und kann von jedermann eingesehen und heruntergeladen werden, wie im Fall von Beeples Kunstwerk, dessen NFT für 69 Millionen Dollar verkauft wurde. Was der Käufer letztlich erlangt hat, war lediglich ein von Beeple erstellter Token, der die Herkunft des Kunstwerks in der Blockchain verifiziert und dem Käufer nachweisen kann, dass er, wenn er das jeweilige Kunstwerk ansieht oder herunterlädt, nicht bloß „irgendeine Kopie“ dieses Kunstwerks erhält, sondern dass diese Kopie „die eine“ Kopie ist, die sie zu etwas Besonderem macht. Was man vielleicht als das „gute Gefühl“ bezeichnen könnte, „etwas Besonderes“ zu besitzen, ist sicherlich einer der Hauptgründe – neben der Möglichkeit, Künstlern zu helfen, mit ihrer Kunst Geld zu verdienen, möglichen Geldwäsche-Aktivitäten und einem momentanen, allgemeinen Krypto-Hype – der den Trend um NFTs erklären mag. Davon abgesehen ist es schwer vorstellbar, dass der Besitz eines NFT einen realen Wert abbildet.

Nicht nur die Tatsache, dass der Käufer in der Regel keinerlei Rechte an dem digitalen Kunstwerk selbst erhält, stellt die Tragfähigkeit des oft bemühten Vergleichs mit Sammlerobjekten in Frage. Hinzu kommt, dass eine der Haupteigenschaften von NFTs, von der man sich eine Revolution der Kunstwelt versprochen hat – nämlich die Möglichkeit, die Provenienz eines Kunstwerks zu belegen – erheblichen Einschränkungen unterliegt. Da prinzipiell jede Person einen NFT von allem erstellen kann, auch von Inhalten, für die sie keine Rechte innehat (so existieren verschiedene NFTs von da Vincis Mona Lisa hier und hier), kann es keine restlose Gewissheit über die Echtheit und Eigentumsgeschichte eines Kunstwerks geben. Anders mag dies wohl nur in Fällen sein, in denen der NFT an prominenter Stelle verkauft wird (wie es z.B. bei der Versteigerung des Beeple-NFT vor dem Auktionshaus Christie’s der Fall war). Dies bedeutet jedoch, dass für weniger bekannte Künstler praktisch keine Möglichkeit besteht, ihre digitale Kunst effektiv davor zu schützen, dass sie von Nachahmern „gestohlen“ und in NFTs überführt wird.

Dies führt zurück zur Ausgangsfrage: Hat das Urheberrecht eine Antwort auf dieses Phänomen, um zumindest im Nachhinein auf derartige Fälle zu reagieren? Der Verkauf eines NFTs ändert, wie bereits angemerkt, nichts am Status eines möglichen Urheberrechts, das für das zugrundeliegende Kunstwerk möglicherweise besteht, da – erneut – nicht das Bild selbst oder entsprechende Lizenzrechte verkauft werden. Dies führt einige Stimmen (hier, hier und hier) zu der Ansicht, dass das Erstellen und Verkaufen von NFTs urheberrechtlich weitestgehend irrelevant ist.

Und in der Tat gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Erstellen eines NFTs eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Auf den ersten Blick wäre es zwar wohl denkbar, das Erstellen eines NFT als Verletzung des Vervielfältigungsrechts des zugrundeliegenden Werks i.S.d. § 16 Abs. 1 UrhG zu erachten. Der Begriff der Vervielfältigung ist sehr weit auszulegen und schließt auch körperliche Festlegungen ein, die das Werk für die menschlichen Sinne wahrnehmbar machen, und zwar sowohl in unmittelbarer wie in mittelbarer Weise, welche weitere Schritte erfordert, um das Werk direkt wahrnehmbar zu machen. Somit stellt auch die Herstellung von Druckstöcken, Negativen oder Matrizen eine „Vervielfältigung“ i.S.v. § 16 Abs. 1 UrhG dar. Wenn ein NFT erstellt wird, wird das digitale Kunstwerk gehasht, d.h. in einen verschriftlichten Hash-Code umgewandelt. Da der kryptografische Hash-Code jedoch nicht in das Werk zurückgewandelt werden kann, sondern ein bestimmtes Werk nur durch den Abgleich mit seinem Hash-Code verifizieren kann, kann das Kunstwerk mit Hilfe dieses Codes nicht für die menschlichen Sinne wahrnehmbar gemacht werden. Der Code selbst lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob er sich auf ein Bild, ein Video, eine Audiodatei, etc. bezieht. Eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts kann also im Erstellen eines NFTs nicht erkannt werden.

Aber wie steht es um die Metadaten-Datei? Die Metadaten-Dateien des NFTs enthält oft einen Hyperlink zu dem eigentlichen Kunstwerk, das durch den NFT repräsentiert werden soll. Wenn diesem Link gefolgt wird, kann das Kunstwerk angesehen und heruntergeladen werden. Die ganz herrschende Meinung sieht im Setzen eines Hyperlinks indes keinen Verstoß gegen das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i.S.v. § 19a UrhG.

Zu diskutieren bliebe jedoch eine mögliche Verletzung von Urheberpersönlichkeitsrechten (insbesondere des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft i.S.v. § 13 UrhG), wie dies einige Stimmen vorschlagen. Wenn etwa Nachahmer NFTs von Werken Dritter erstellen, scheint eine Verletzung dieses Rechts nicht von vornherein unplausibel. Das Erstellen eines NFTs führt zu einem Eintrag in der Blockchain, der den Ersteller als „Creator“ und (aktuellen) „Owner“ bezeichnet – und nicht den eigentlichen Urheber des zugrunde liegenden Kunstwerks. Allerdings bezieht sich diese Zuordnung nur auf den aktuellen Status des NFTs und nicht auf den des zugrunde liegenden Kunstwerks. Daher ist es richtig, dass der Ersteller des NFTs als „Creator“ und – solange dieser den NFT nicht verkauft – als dessen aktueller „Owner“ bezeichnet wird. Damit ist insofern keine Aussage über die Urheberschaft des Kunstwerkes verbunden, auch wenn sie teilweise als eine solche missverstanden werden mag. Damit scheint wohl auch eine Verletzung von Urheberpersönlichkeitsrechten ausgeschlossen.

Sind NFTs demnach also ein urheberrechtliches Nullum? Dem ist nicht so, denn beim Erstellen von NFTs auf der Grundlage fremder Kunstwerke werden in den meisten Fällen dennoch Urheberrechte verletzt. Denn um einen NFT zu erstellen, muss das zugrundeliegende Kunstwerk oder eine Kopie davon auf eine Hosting- oder Minting-Plattform hochgeladen werden, womit regelmäßig unstreitig eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts i.S.d. § 16 Abs. 1 UrhG verbunden ist. Darüber hinaus wird das digitale Kunstwerk in der Regel auch der Öffentlichkeit und/oder dem Käufer zur Ansicht und zum Download zur Verfügung gestellt. Oft wird auch eine Vorschau für das Kunstwerk bereitgestellt. Beide Nutzungsarten verstoßen damit – ohne entsprechende Berechtigung – gegen das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG. Die vorgenannten Nutzungsarten sind jedoch keineswegs eine spezifische Besonderheit von NFTs, sondern betreffen gängige Fälle von Urheberrechtsverletzungen im Internet.

Schließlich könnten NFTs auch aus lizenzrechtlicher Sicht Schwierigkeiten bereiten, wenn ein NFT für ein Werk erstellt werden soll, für das ausschließliche Lizenzen für alle bekannten und unbekannten Nutzungsarten erteilt wurden. Es erscheint denkbar, dass das Erstellen eines NFTs als (unbekannte) Nutzungsart gewertet werden könnte, wodurch die Möglichkeiten des Lizenzgebers, NFTs zu erstellen, eingeschränkt werden.

NFTs sind sicherlich eine weitere – mindestens irritierende – Episode in einer Reihe von Krypto-Hypes. Nicht nur können NFTs jedoch das allgemeine Grundproblem für Künstler nicht lösen, dass ihnen kein schlagkräftiger Schutz für ihre digitale Kunst zukommt, sobald sie diese online veröffentlichen. Im Gegenteil schafft der Handel mit NFTs offensichtlich eher noch größere Anreize für den Diebstahl geistigen Eigentums. Da NFTs nunmehr zu einer eigenständigen Handelsware geworden sind, hat sich der Handel mit NFTs weitestgehend von der zugrunde liegenden digitalen Kunst gelöst und verselbstständigt. Viele Käufer scheinen sich darüber hinaus nicht vollständig darüber im Klaren zu sein, was genau sie mit dem Kauf von NFTs tatsächlich erwerben.

Angesichts der geradezu katastrophalen Folgen für das Klima, die das Erstellen und Verkaufen von NFTs zudem mit sich bringen (so kam die NFT-Serie eines Künstlers mit einer Auflage von 1.500 NFTs in weniger als einem halben Jahr auf einen Stromverbrauch von 263.538 kWh und einen Ausstoß von 163,49 Tonnen CO2; das entspricht dem Stromverbrauch eines EU-Bürgers für 77 (!) Jahre oder der Nutzung eines Laptops für 2500 Jahre), bilden Non-Fungible Tokens einen fragwürdigen, eher noch unverantwortlichen Trend. Da der Hype um NFTs zudem wieder rückläufig ist und die ersten Länder damit begonnen haben, NFTs zu verbieten, erscheint es wohl höchst zweifelhaft, ob NFTs den Kunstmarkt tatsächlich nachhaltig revolutionieren werden.

 

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Tobias Lantwin ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Gewerblichen Rechtsschutz von Herrn Prof. Dr. Jan Busche an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie Redakteur bei dusIP.

8 Kommentare

  • max kistler

    Danke.
    Wenn ein digitaler Trottel wie ich diesen Ausführungen folgen konnte, dann haben Sie anscheinend alles richtig gemacht. Großartiger Text.

  • Thorsten Hirsch

    Was halten Sie davon, einem NFT einen ähnlichen rechtliche Bedeutung zu geben wie dem Fahrzeugbrief beim KFZ-Kauf? So, dass ein gutgläubiger Erwerb eines Kunstwerks nur noch mit einem NFT gegeben ist…?

    P.S.: Die Kritik bezüglich des hohen Stromverbrauchs ist ja zum Glück bald Geschichte.

  • David

    Sehr sehr interessant Herr Lantwin,

    interessieren würde mich aber auch die rechtliche Seite von Markenaus der Namens-Sicht, also wenn man zum Beispiel einfach einen Turnschuh „abmalt“ und diesen dann Nike 4711 nennt (denn der echte heißt auch so). Verstößt man dann gegen Rechte von Nike, weil man nike als Name genutzt hat?

    Oder wenn ich zum Beispiel eine Porsche 911 abmale und dieses Bild als NTF hochlade, und ich nenne es nicht Porsche, weil ich da ggfs. gegen ein Namensrecht verstoße, sondern WHATEVER. Verstoße ich dann dennoch gegen ein Designrecht oder ähnliches, obwohl das Auto hier auf der Starße stand und ich es nur abgemalt habe?!

    Diese Fragen sind bestimmt einen eigenen Artikel wert.

  • Ramin

    Kann man im Falle des Copyfrauds den NFT Creater wegen der Ausnutzung des Rufes des Künslters und Bildes zur Rechenschaft ziehen? Denn dieser nutzt das Werk eines anderen, um Geld zu machen. Gibt es hierfür außerhalb des Urhebrrechts Regelungen, um den damit entstandenen Gewinn vom NFT Creator zu beanspruchen?

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